Beobachtungen von Online-Panel-Studien im chinesischen Automobilmarkt – Teil 2
Ein Interview mit Ruochen Li, Marktforschungsspezialistin für China
Im ersten Teil unseres Interviews haben wir von Ruochen Li erfahren, wie sich die Marktforschung im chinesischen Markt in den vergangenen fünf Jahren verändert hat und dass vor allem die Berücksichtigung von kulturellen, politischen und sozialen Hintergründen bei Befragungen wichtig sind. Im zweiten Teil des Interviews geht es um Herausforderungen und Chancen und darum, wie sich die Arbeit von SKOPOS von anderen Unternehmen unterscheidet.
Bereits im ersten Teil unseres Interviews gab es einen guten Einblick in die Herausforderungen für Marktforscher im chinesischen Markt. Gibt es weitere Aspekte, die ein Marktforscher beachten muss?
Die gleichen Probleme wie bei der Interpretation von Forschungsvorschlägen und Zielgruppen treten auch bei der Fragebogengestaltung und Analyse auf. In der Marktforschung geht es um hypothesenbestätigende und -explorative Fragestellungen und viel weniger darum, etwas zu deklarieren. Wenn man sich vom Deklarativen zum Explorativen bewegt, nimmt Wissen tendenziell ab, und die Komplexität der zu berücksichtigenden Informationen und Aspekte nimmt tendenziell zu. Das Wissen wird noch mehr abnehmen, wenn die Zielgruppe nur wenige Gemeinsamkeiten hat. Stellen wir uns einen konkreten Fall vor, der sich häufig in der Marktforschung abspielt. Sie möchten eine Clusteranalyse über die Lebensgewohnheiten der Befragten durchführen, um zu verstehen, wie das Profil der potenziellen Kunden in der Zukunft aussehen wird. Wenn Sie nicht die gesellschaftlichen Gepflogenheiten verstehen, würden Sie wohl kaum in einen Fragebogen folgendes Einbauen: „Karaoke singen“. In China ist das aber eine der häufigsten Freizeitaktivitäten.
Um auf Basis einer Clusteranalyse eine Persona zu entwickeln, ist es ratsam, nicht nur auf die nackten Zahlen zu schauen. Das bedeutet, dass Sie auf der operativen Ebene, insbesondere beim Fragebogendesign und der Analyse im Team arbeiten sollten und sich auf lokale Experten und ihre Meinungen stützen müssen, um die Hypothese zu vervollständigen und die Ergebnisse hinter den Zahlen interpretieren zu können. Schließlich geht es um die Entscheidung, inwieweit die chinesische Niederlassung in die Überlegungen miteinbezogen werden soll. Das kann immer schief gehen. Es hat aber auch Vorteile, die Dependance in China einzubeziehen, z. B. bei der Festlegung des Zielgruppenumfangs, beim Korrekturlesen, der Übersetzung und bei der Diskussion der Studienergebnisse. Das ist jedoch nur dann von Vorteil, wenn der Zeitrahmen des Projekts es zulässt und die Kommunikation untereinander barrierefrei ist. Leider erleben wir in der Praxis oft das Gegenteil.
Was sind die Herausforderungen, aber auch die Chancen für Marktforschungsagenturen, in der aktuellen Pandemie-Phase und danach, in China zu forschen?
Zu Beginn der Covid-Pandemie war es klar, dass qualitative Face-2-Face-Studien schwer umsetzbar werden. Reisen waren nicht mehr möglich, sodass der Austausch mit den Teams vor Ort in China schwieriger wurde. Doch Remote IDIs (In-depth Interviews) und GDs (Gruppendiskussionen)-waren schnell geboren und entwickelten sich zu einer sehr guten Alternative. Denn jetzt sind wir in der Lage, Kunden kosten- und zeiteffizienter zu erreichen als je zuvor. Jetzt, da China nicht mehr zu den Hochrisikoregionen gehört und auf dem Weg ist, seine Geschäftsaktivitäten wieder zu normalisieren, bekommen qualitative Vor-Ort-Studien und Car Clinics wieder die Chance, zu starten. Die Pläne für einen flexibleren und hybriden Ansatz werden konkreter.
Um während der Pandemie agile Forschungsaktivitäten durchzuführen, haben wir Community-basierte Zielgruppen aufgebaut, was sich als sehr positiv herausstellte. Eine Community-basierte Zielgruppe bedeutet, dass man eine Pop-up-Community der realen Kunden aufbaut und in dieser Gruppe regelmäßig Forschungsaktivitäten durchführt, um agile und relevante Erkenntnisse zu gewinnen. Es ermöglicht, die richtige und manchmal seltene Zielgruppe für qualitative und quantitative Studien ohne Zeitverzögerung zu finden. In der Premium-Automobilbranche ist es beispielsweise oft sehr zeit- und kostenintensiv, solche Gruppen zu rekrutieren, unter Pandemie-Bedingungen sogar noch schwieriger. Mit dem Community-Konzept hingegen nehmen die Teilnehmer aus Eigenmotivation und Interesse an den Studien teil. Unterm Strich haben wir mit dem Community-Konzept in China eine höhere Qualität der Studienergebnisse erreicht.