BVM-Kongress 2015
Das Reiseerlebnis von übermorgen: Wird das wichtigste Gepäckstück digital?
Auf dem BVM-Kongress 2015 präsentierten Jan Berlin, Head of Research bei SKOPOS, zusammen mit dem Head of Business Intelligence der Thomas Cook Touristik, Christian Lang, zentrale Ergebnisse einer gemeinsam durchgeführten Zukunftsstudie für die Touristikbranche.
Hintergrund: Die Digitalisierung als Chance
Egal ob es um das Sammeln von Informationen, den Kauf bzw. die Buchung oder auch um das eigentliche Produkt oder Service geht – alles wird von einer Welle der Digitalisierung erfasst. Sei es das Auto, das mittlerweile ohne Multimedia-System nicht mehr denkbar ist und via Smartphone für ein paar Stunden geliehen werden kann, oder auch die Wissenschaft durch digitale Speicher- und Analyseinstrumente und e-learning-Konzepte.
Neue, rechtzeitig identifizierte Geschäftsmodelle bieten somit hohes Potenzial für eine erfolgreiche Differenzierung. Doch wie kommt man auf die zündenden Ideen und Konzepte von morgen und übermorgen – und das in Zeiten immer kürzerer Innovationszyklen auch möglichst schnell?
Unsere gemeinsam mit Thomas Cook Touristik durchgeführte Studie gibt darauf Antworten. Ziel war die Identifikation von digitalen Angeboten entlang der gesamten Customer Journey einer Reise. Angefangen von der ersten vagen Inspiration bis hin zu Ritualen nach der Rückkehr aus dem Urlaub.
Strukturiert wurde die Studie anhand des Innovationsprozesses, mit dem wir in einem dreistufigen Design erst Ideen identifizierten, anschließend ausarbeiteten und im letzten Schritt das individuelle Potenzial validierten.
Abbildung: Der Innovationsprozess
1. Auf die richtigen Ideen kommen
„Der beste Weg, gute Ideen zu erhalten, besteht darin, möglichst viele Ideen zu entwickeln.“ Dieses Zitat von Linus Pauling war unser Credo für den ersten Schritt. Um den Worten Taten folgen zu lassen, wurden im Rahmen einer Online-Community über 14 Tage fleißig Ideen generiert. Um zukunftsfähige Buchungsplattformen, Hotelkonzepte und zusätzliche Services zu entwickeln, wurde entlang der Customer Journey diskutiert. Zu Beginn stand die Schilderung der vergangenen Urlaubserfahrung, anschließend wurden Bedürfnisse, Mängel und Begeisterungsfaktoren näher betrachtet. Diese gesammelten Eindrücke bildeten das Fundament, um damit neue Ideen in Angriff zu nehmen. Die Zielsetzung war einfach: Ohne Rücksicht auf Realisierbarkeit und Attraktivität für die Masse so viele Ideen wie möglich sammeln! Formale Kriterien gab es nicht, sondern nur eine Regel: keine Kritik an dem Konzept eines anderen. Aber andere Ideen durften jederzeit aufgegriffen, ergänzt oder verändert werden. Selbst die Moderatoren dürften fleißig mitdiskutieren, um aus einer distanzierten Diskussion ein wirkliches Community-Erlebnis zu erschaffen.
Zusätzlich wurde gemeinsam mit Thomas Cook ein Desk Research durchgeführt. Dabei lag der Fokus nicht ausschließlich auf Entwicklungen im Touristiksegment, vielmehr wurden gesellschaftliche Entwicklungen wie die zunehmende Individualisierung betrachtet, um Bedürfnisse besser verstehen und einordnen zu können. Weitere Bausteine waren die Betrachtung technologischer Entwicklungen, die wiederum unmittelbar in neuen Geschäftsmodellen münden können. Auch originär branchenfremde Trends wie autonomes Fahren wurden analysiert, da diese zukünftig auch für einen Reiseanbieter Bedeutung haben können. Ergänzt wurden die externen Datenquellen um interne Informationen wie Ergebnisse aus Kundenbefragungen und sozialen Medien.
Die gesammelten Ergebnisse resultierten in einem tiefen Verständnis der Bedürfnisse, Wünsche und daraus abgeleitet zu Ideen für zukunftsträchtige Konzepte. Bevor diese Rohkonzepte einer Quantifizierung unterzogen werden, wurden sie zunächst im einen weiteren Schritt weiterentwickelt.
2. Ideen veredeln
Nicht jeder gute Gedanke mündet direkt in ein gutes Konzept und erst recht nicht jedes Verbalkonzept trifft direkt den Nagel auf den Kopf. Um sicherzugehen, dass nicht eigentlich werthaltige Ideen durch eine falsche Interpretation oder eine unzureichende Erklärung nicht weiterverfolgt werden, wurden die Ideen im nächsten Schritt veredelt.
Mit dem Ziel, ein stärker strukturierteres, aber dennoch qualitatives Feedback zu erhalten, wurde die Walt-Disney-Kreativitätstechnik für die Online-Welt adaptiert. Jedem Befragungsteilnehmer wurde dabei eine der folgenden drei Rollen zugeschrieben:
Der Träumer: Der die Idee offen, positiv weiterschreiben sollte
Der Realist: Der pragmatisch den Gehalt der Idee untersuchen sollte
Der Kritiker: Der neben negativen Aspekten auch hervorheben sollte, wie er überzeugt werden könnte
Um die Rolle besser annehmen zu können, wurde mit Framing gearbeitet. Dies begann bereits visuell durch unterschiedliche Bilder und Hintergründe. Je nach Rolle unterschied sich demnach die Gestaltung der Befragung. Zusätzlich wurden Verstärker wie etwa Zitate oder Erfolgs- bzw. Misserfolgsgeschichten aus der Produktwelt integriert. Das konnte beim Träumer z.B. ein Produkt sein, das sich entgegen aller Erwartungen durchgesetzt hat. Der Teilnehmer behielt die einmal vergebene Rolle über den Befragungsprozess bei, um sich darin einfinden zu können und von Lerneffekten zu profitieren.
Das offene Feedback wurde im Anschluss nicht quantifiziert. Stattdessen wurden bisher nicht hinreichend bedachte Aspekte mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse identifiziert. Mit diesen Erkenntnissen wurden die Ideen anschließend in neue Verbalkonzepte überführt und in die quantitative Stufe geschickt.
3. Marktreaktion evaluieren
Der letzte empirische Schritt bestand darin, Marktreaktionen im Rahmen einer Online-Befragung quantitativ zu betrachten. Neben relevanten KPI wie Grad der Neuartigkeit, Attraktivität, Buchungsbereitschaft wurden dabei auch Preisaspekte untersucht, um auf dieser Basis eine Entscheidung treffen zu können, ob das Konzept auch tatsächlich weiterverfolgt und damit von Thomas Cook umgesetzt werden sollte.
Fazit
Gute Ideen fallen nur selten vom Himmel und werden ohne Struktur noch seltener weiterverfolgt. Der zukünftige Unternehmenserfolg sollte nicht dem Zufall überlassen werden. Gerade deshalb ist ein gut geplanter Innovationsprozess so wichtig. Dieser sollte so offen gestaltet sein, dass jeder Beteiligte sein kreatives Potenzial zur Entwicklung der besten Ideen einbringen kann: Konsumenten, Mitarbeiter und auch die Marktforschung. Vielmehr sichert professionell durchgeführte Innovationsforschung, dass zu Beginn blinde Flecken vermieden werden und keine Ideen unterwegs verloren gehen. Zusammen mit Thomas Cook konnten so vielversprechende Buchungsplattformen, Hotelkonzepte und Services für eine völlig neuartige Urlaubserfahrung entdeckt werden, die bald einen neuen Schritt in der Digitalisierung der Touristikbranche einläuten werden.
Ergebnisse donwloaden
Die Ergebnisse der gesamten Studie stehen Ihnen hier zum Download zur Verfügung. Mehr…